Neuerscheinung Februar 2022

Engagement im Ruhestand

herausgegeben von Bernt Renzenbrink und Gerhard Wegner
unterstützt vom Senior Consulting Service Diakonie
 
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Februar 2022
Paperback, 256 Seiten, 48€, auch als E-Book
WGS 2543   ISBN 978-3-374-07012-1

 

„Engagement im Ruhestand“ erscheint den Herausgebern im Nachhinein als paradoxes Wortspiel. Beschreiben doch die Autor*innen, die von ihnen zu vier wissenschaftlichen und dreizehn biographischen Artikeln ermuntert wurden, einen vielbesprochenen „Unruhestand“. Zugleich beantworten sie die Frage von Bernt Renzenbrink und Gerhard Wegner, was Ältere antreibe, sich zu engagieren - welche Ziele, Ideale und Werte.

Mitverantwortung, obschon nicht mehr so selbstverständlich wie in jungen Jahren, gewinne im hohen Alter an subjektiver Bedeutung.

Die Quintessenz des Sammelbandes fasst Andreas Kruse gleich im ersten Fachbeitrag über Potenziale des Alters  in einem Satz zusammen. Der Professor und Direktor des Instituts für Gerontologie der Universität Heidelberg sitzt seit 2003 den Kommissionen vor, die den Altersbericht der Bundesregierung erstellen.

In dem Maße, in dem die Person ihr Leben als eine Aufgabe begreift, in dem sie sich für die Welt einsetzt und diesen Einsatz als einen Dienst an der Welt begreift, verwirklicht sie Werte und erlebt gerade dadurch ihr Leben als stimmig und sinnerfüllt. Das Engagement für die Welt ist als Akt der Selbst-Transzendenz zu verstehen, geht doch die Person in diesem Engagement über sich hinaus. (Andreas Kruse)

Steter Trend zum freiwilligen Engagement

Nach Ergebnissen des jüngsten Deutschen Freiwilligensurveys (FWS) von 2019 hat sich der Trend des zunehmenden Engagements unter den Älteren – vor allem bei den sogenannten Hochaltrigen (Personen ab 80 Jahren) – fortgesetzt … Diese tätige Mitverantwortung lässt sich zugleich als ein wichtiger Aspekt des ›erfolgreichen‹ Alterns betrachten, in dem sie zum Erhalt bzw. zur Stärkung u. a. der sozialen Beziehungen, kognitiver, mentaler und sozialer Kompetenzen beiträgt. (Petra-Angela Ahrens, Sozialwissenschaftliches Institut der EKD)

Natürlich wünschen sich alle, die dritte nach der zweiten und vor der vierten Lebensphase bewusst anders zu gestalten. Und doch machen sie weiter, zuweilen mit einer anschwellenden Fülle freiwilliger Aktivitäten, indem sie einem individuellen, lange eingeübten Muster folgen.

Mal bleiben sie als Angehörige Pflegende – vornehmlich Frauen – oder als Großeltern Erziehende. Mal stellen sie ein buntes Programm zusammen, was sie sich – wie bisher oder jetzt endlich - an Aufgaben oder Reisen, Bildung oder Hobbies leisten wollen und können. Ob nun in Nachbarschaft und Gesellschaft präsent oder im Privaten gebunden und zurückgezogen.

Neue Frauenbewegung der 68er

Wir erleben gerade eine neue Frauenbewegung: die der älteren Frauen. Die 68er Power-Frauen gehen selbstbewusst, kritisch und voll Energie in die neue Lebensphase und setzen sich noch einmal neu mit den alten Themen auseinander: mit dem Verständnis von Arbeit, mit Körper und Kleidung und natürlich mit dem Thema Mütterlichkeit. Viele von ihnen sind längst Großmütter – aber auf die Großmutter-Rolle will sich keine mehr reduzieren lassen. Und dennoch erlebt so manche das »Rabenmuttersyndrom« noch einmal, wenn sie sich weigert, noch einmal Lücken zu füllen, die die Familienpolitik nicht schließt. (Cornelia Coenen-Marx, bis 2015 Oberkirchenrätin der EKD für Sozial- und Gesellschaftspolitik )

Anders als die Industrie hat die Kirche den Schatz, den Wissen und Erfahrung Älterer darstellen, offensichtlich noch nicht entdeckt. Zwar fehlt auf kaum einer Webseite einer kirchlichen Einrichtung die Rubrik »Ehrenamt«. Aber bei genauerem Hinsehen scheint es oft mehr um die unentgeltliche Übernahme von notwendigen oder wünschenswerten Aufgaben zu gehen. (Freimut Hinsch)

Unentdecktes Wissen und Erfahrung Älterer

In der kirchlichen Gemeindearbeit ist der »Dienst« am Nächsten auf ehrenamtlicher Basis nach wie vor stark gefragt. Es fehlt an vielen Ecken an Expertise, die in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft reichlich vorhanden ist. Eine erste Zwischenbilanz fällt allerdings ernüchternd aus. Letztlich geht es in den abendlichen langen Sitzungen fast immer nur um Verwaltungsangelegenheiten mit geringem Unterhaltungswert, aber langen fruchtlosen Debatten im Detail. Entscheidungen werden vertagt und der Ruf der Experten verhallt. Manchmal drängt sich der Verdacht auf, dass der Chef, also unser Herrgott, schwer in Ordnung ist, aber das Fußvolk leider grottig. (Ewald Stephan)

Wir können als Diakonie noch so menschenzugewandt arbeiten, wenn wir dabei die Wirtschaftlichkeit außer Acht lassen, sind wir nicht mehr lange da. Umgekehrt spielt das diakonische Profil und die erfahrbare Menschlichkeit eine große Rolle bei der Akzeptanz und bei der Nachfrage des Angebots und hat durchaus positive Folgen für die Wirtschaftlichkeit. Auf das richtige Gleichgewicht beider Faktoren kommt es eben an! (Christian Sundermann)

Kompetenz, Erfahrung und Motivation

Für verzichtbar gehalten und ausgeschlossen zu werden, gar weil sie Herausforderungen nicht mehr gewachsen seien, empfinden Menschen im Ruhestand als diskriminierend. Genauso wenig wollen sie auf billige Weise ausgenutzt werden.

Wieviel schöner und befriedigender kann es sein, gemeinsam mit anderen an einem Projekt zu arbeiten. In einem Verein, einer Initiative, in jedweder Gruppe wird man dann andere ehrenamtlich Tätige treffen und in einen mehr oder weniger intensiven sozialen Kontakt kommen. (Jürgen Lenski)

In den letzten Jahren meines freiberuflichen Wirkens als Älterer ist mir wieder besonders klar geworden, wie wichtig die aktiven Beziehungen zu anderen Menschen im Sozialraum – gerade auch zu Jüngeren – sind. (Bernt Renzenbrink)

Tausende von Bürgerinnen und Bürgern, die sich auf Zeit oder Dauer ehrenamtlich einsetzen, … haben viel bewegt, beispielsweise seit ich 1973 Journalist wurde: für Kinder, Jugendliche und Frauen, fürs Ehe-, Familien und Scheidungsrecht, für Breitensport und Kultur, Menschen mit Behinderungen und Krankheiten, Opfer von Straftaten und Strafgefangene, Migranten, für Mitbestimmung und Teilhabe, Stadt- und Regionalplanung, Quartiersarbeit, für Umwelt- und zugleich Katastrophenschutz. Ein kurzer Auszug einer langen Liste. (Ernst Rommeney)

Unabhängigkeit nachberuflich Engagierter

Nicht nur, dass die nachberuflich Engagierten in der Regel die bereits genannten Fähigkeiten mitbringen: Kompetenz, Erfahrung, Engagement, Motivation. Darüber hinaus haben sie meist auch den Vorteil der Unabhängigkeit. Wenn alles gut gegangen ist, müssen sie nichts mehr werden und sind nur noch denjenigen gegenüber rechenschaftspflichtig, mit denen sie arbeiten und für die sie sich engagieren. (Andreas Hänssgen)

Die Phase 60plus wurde vom Ausgang zum Eingang umgeschildert, hinter dem sich einmal mehr Chancen eröffnen. Ungewisse Risiken verschieben sich mehr und mehr gen „hohes Alter“, jenseits der Schwelle 80 Jahre. Für die einen gleitend oder die anderen abrupt, je nachdem, wie Kräfte oder Gesundheit schwanken und schwinden.

Neulernen nach Zäsuren

Eines Nachts kam eine Zäsur, mit der ich niemals gerechnet hätte. Als ich wach wurde, lag ich auf dem Boden – ich hatte einen Schlaganfall gehabt. Während der Fahrt ins Krankenhaus schwante mir, dass sich etwas in meinem Leben gedreht hatte, was ich nicht steuern konnte. Daran konnte auch der Heilungsweg und die anschließende Reha nichts ändern. Ich ließ mich hinein gleiten, um das meiste neu zu lernen: sprechen, schreiben, laufen. (Martina Gödecke-Behnke)

Eine vage Krebsdiagnose, Operation bei Vollnarkose, bei der ersten Visite danach die frohe Botschaft einer Entwarnung verbunden mit der nüchternen Mitteilung, man habe sicherheitshalber eine Gewebeprobe entnommen und ins Labor geschickt, Tage später – ich war bereits wieder zu Hause – der telefonische Befund: Hochmaligner Lymphknotenkrebs – wer so etwas erlebt, wird aus der Routine des Alltags geschleudert und setzt Prioritäten unter bisher ungewohnten Kriterien und Restriktionen. (Alfred Iwainsky)

Positives Denken, Spiritualität und Akzeptanz des Alters

Von Berufs- und Langzeit-Erfahrung mit Schüben von Revolte verlagert sich das Lebensgefühl zu Gelassenheit. Es ist innere Einstellung, die das Terrain nahe Leiden und Tod abverlangt. Wohl für die meisten das allerletzte Neuland.

Seelisch geistige Kräfte seien es, von der die Gesellschaft profitieren könnte, glaubt der Gerontologe Andreas Kruse, so sie ihre Sicht des Alters tiefgreifend verändere. Positives Denken, Spiritualität und Akzeptanz würden von der Einsicht getragen, wie verletzlich, wie endlich das Leben sei und wieviel Potential, sich zu entwickeln, es bis zum Ende biete.

Nach 42 sehr glücklichen Ehejahren musste ich 2016 Abschied nehmen von meiner Frau Antje, der großartigen, geliebten Partnerin meines Lebens, und musste neu beginnen, mein nun amputiertes Leben zu meistern. Ich habe das getan und will den Gerontologen mit meinem Restleben widersprechen und ihnen zeigen, dass auch ein junger Alter noch fähig ist, dem körperlichgeistig-emotionalen Gestaltswandel zu trotzen. (Volker Diehl)

Nicht mehr müssen, aber können

Ein neuer Lebensabschnitt sei hinzugewonnen, so die Herausgeber, bei dem es darum gehe, Autonomie und Freiheit, ein selbstständiges Leben zu realisieren, ohne die im Beruf immer wieder notwendigen Unterordnungen, kleinen oder großen Demütigungen. Man müsse nicht mehr, aber man könne – eine ganze Menge.

Jahrzehnte entwickelte individuelle Kompetenz einfach mit dem Ruhestand abzuschalten, sei eine Verschwendung – auch für Unternehmen und Verbände.

Ich war und bin nicht bereit, die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die ich im Laufe meiner beruflichen Tätigkeiten erlernt und gesammelt habe, mit dem Erreichen der gesetzlich fixierten Grenze für das Rentenalter vollständig brachliegen zu lassen, zumal diese Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht mit dem Verfallsdatum »Eintritt in den Ruhestand« versehen sind. (Wolfgang Teske)

Vom Nutzen früher Netzwerke

Beim Nachdenken über die Erfahrungen des Engagements im Ruhestand habe ich die Erkenntnis gewonnen, dass es im gesamten Berufsleben – und nicht nur dort – förderlich ist, Netzwerke zu bilden mit Menschen, denen man mit Respekt und Offenheit begegnet. Es wird vorkommen, dass später aus diesem Kreis Menschen wieder Kontakt suchen. (Klaus-Dieter K. Kottnik)

Mit der Frage konfrontiert, was man mit 55 Jahren noch Neues tun kann, rieten mir Freunde unter Hinweis auf viele erfolgreiche Beteiligungen, die ich in meiner Kaufhof-Zeit gekauft hatte, in diesem Bereich selbst aktiv zu werden. Ein eigenes Geschäft aufzubauen, entsprach sehr meinen Vorstellungen. Ich gründete eine Private-Equity-Gesellschaft mit 150 Mio. Euro Eigenkapital, die ich von erstklassigen Kapitalanlegern einwerben konnte. (Jens Odewald)

 

Bernt Renzenbrink, Herausgeber

Gründer und Vorsitzender des SCS-Diakonie (2006-2021)
Seniorconsultant und Interim-Geschäftsführer in Sozialunternehmen

Entwickler von Projekten zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen
Mitglied der "Arbeitsgemeinschaft evangelischer Unternehmer"
und der "Aktion psychisch Kranke e.V."
 


Prof. Gerhard Wegner 2019

Gerhard Wegner, Herausgeber

Dr. theol. und apl. Prof em., Pastor i.R. und Publizist
Vorsitzender des Niedersächsischen Bundes für freie Erwachsenenbildung
Vorstandsmitglied des Senior Consulting Service Diakonie

2004 bis 2019 Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD in Hannover.

www.gerhardwegner.de

 


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