Inklusive Akademie Oberhavel
Bildungsziel Arbeitsmarkt
Menschen mit Behinderung sind überproportional häufig arbeitslos. Das liegt nicht unbedingt an ihnen, nicht an Motivation, Fähigkeiten oder Handicaps. Vielfach werden sie durch hohe Barrieren „behindert“, ein angepasst normales Berufsleben zu führen.
Berufstraining als Perspektive
Sie erfahren Teilhabe an der Arbeitswelt als eine „versäulte“ Struktur, die den, der sich entwickeln möchte, eher eingrenzt als fördert. Entweder sie qualifiziert oder er behauptet sich selbst, um auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt zu sein. Oder ihr und ihm bleibt nur der betreute Sonderarbeitsmarkt aus Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, wo sie jedoch nicht ihren Lebensunterhalt verdienen.
Eine berufliche Perspektive, wie sie die UN-Behindertenrechtskonvention verspricht, tut sich meist nicht auf. Niederschwellige Weiterbildung jedoch eröffnet diese durchaus.
Projektträger SCS-Diakonie
Aus dem SCSD-Fachtag 2019 über „Teilhabe und Inklusion in ländlichen Räumen“ in der Orangerie des Schlosses Oranienburg ging deshalb die Initiative hervor, eine inklusive Akademie zur Weiterbildung von Menschen mit Behinderung für den Arbeitsmarkt aufzubauen.
Um ein Konzept zu erstellen, legte der Senior Consulting Service Diakonie ein Entwicklungsprojekt auf (2020). Beteiligt waren der Behindertenbeauftragte und Mitglieder des Arbeitskreises für die Belange behinderter Menschen der Stadt Oranienburg.
Die Projektarbeit wurde vom Land Brandenburg und dem Europäischen Sozialfonds aus Mitteln des Programms „Soziale Innovation“ finanziell gefördert. Sie lief über sechs Monate von April bis September 2020.
Die zweite Phase, das Konzept in einem Modellvorhaben umzusetzen, übernahm anschließend die Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e. V. Oberhavel Süd, begleitet vom SCS-Diakonie (Ende 2020).
Mit ESF zum Konzeptentwurf
Die Akademie zeigt Wege zum ersten Arbeitsmarkt und eine Alternative zu herkömmlichen Werkstätten (WbfM) auf. Sie strebt Qualifikationen für ausgewählte Tätigkeiten an, die im Netzwerk der Behindertenhilfe des Landkreises Oberhavel geschult werden. Ergänzend werden Praktika und Arbeitsplätze in der Region vermittelt.
Beratung und Training führen – nach dem Prinzip des Peer Counseling – Experten mit Behinderungen für Interessenten mit Behinderungen durch, auch um Alltagserfahrung und Vorbilder weiterzugeben. Entsprechend organisiert sich die Akademie als Inklusionsbetrieb.
Weiterbildung in 3 Modulen
Wichtiges Element des Akademiekonzeptes ist das Peer Counseling. Es wird bereits seit 2018 in der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) von „Betroffenen für Betroffene“ angewandt. Über die Beratung hinaus entwickelt die Akademie eine pädagogische Methode des Unterweisens und Trainierens - im Sinne der „Selbstbestimmt-Leben-Bewegung“.
Arbeitmarkt unter Pandemie
Das Projekt startete zufällig zeitgleich mit den ersten sechs Monaten der Covid-19-Pandemie in Deutschland. Unerwartet sahen sich die Beteiligten vor eine neue Situtation gestellt, die sie zum Exempel der Akademie machten.
Einerseits verschlechterte sich der Arbeitmarkt gravierend. In Gastronomie, Hotellerie, Küchen, Handel und verarbeitendem Gewerbe entfielen - zumindest vorübergehend - Tätigkeiten, welche für Menschen mit Behinderungen grundsätzlich geeignet sind. Andereseits machte der Bedarf an zusätzlichen Pflegekräften erneut von sich reden.
Daraus entstand die Idee, dass die Assistenz von Menschen mit Pflege- und/oder Betreuungsbedarf eigentlich dem Potential von Menschen mit Behinderungen entspricht. Weshalb sich schließlich das Projektteam auf dieses Arbeitsfeld konzentrierte.
UN-Konvention zum Recht auf Inklusion und Bildung
Richtschnur für die inklusive Akademie Oberhavel - wie völkerrechtlich für die gesamte Gesellschaft - ist die UN-Behindertenrechtskonvention:
Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen. (Artikel 24, Recht auf Bildung)
Die Vertragsstaaten anerkennen das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit; dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird. (Artikel 27, Arbeit und Beschäftigung)